nerv II
In der Gesamtform der mit GRENZGÄNGE STEINE begonnenen Werkreihe (GRENZGÄNGE STEINE, SCHREYAHN , tôku/NAH, ANDERE RÄUME, nerv II)
markiert diese Partitur einen besonderen Punkt der Entwicklung: bis
dahin wurde der musikalische Raum Stück für Stück immer mehr
ausgeweitet, bis mit tôku/NAH und zuletzt ANDERE RÄUME eine Gleichwertigkeit der nebeneinander geltenden Abläufe, von Fern (japanisch = tôku) und Nah erreicht ist.
Mit nerv II
nun tritt die so polyphonisierte Form in ein neues Stadium. Von hier ab
laufen die verschiedenen Stränge auseinander, gehorchen die an
verschiedenen Raumpunkten zu spielenden Stücke nicht mehr nur einer
vertikalen Gesamtpartitur, sondern entwickeln sich -
Emanzipation polyphoner Schichten - einzeln (= einzeln
aufführbar) horizontal weiter, ohne daß allerdings ein differenziertes
System vertikaler Zusammenhänge zu den noch präsenten Klängen von ANDERE RÄUME und dem nächstfolgenden WEITER aufgegeben wäre. Die Anlage des seit GRENZGÄNGE STEINE
immer weiter wachsenden Gesamt-Werks erlaubt dabei auch langsame und
langsamste Entwicklungen über einen größeren Zeitraum hinweg. So leitet
sich die Bläserbesetzung von nerv II aus einer bereits in GRENZGÄNGE keimhaft angelegten Konstellation von Blasinstrumenten ab, die als Fernorchester in SCHREYAHN (Buch VI) und tôku/NAH (tôku-Orchester) wiedererscheint. Mit nerv II wird der Emanzipationsprozeß dieser Besetzungskonstellation abgeschlossen; sie begegnet uns viel später erst als Echo wieder.
Das musikalische Material von nerv II besteht aus vier ebenfalls bereits in GRENZGÄNGE STEINE
exponierten Gesten, die jeweils an eine Teilbesetzung (Klavier allein,
Holz- , Blechbläser, Violine solo) gebunden sind und in ihren
verschiedenen Kombinationen, Durchdringungen und Transformationen den
zeitlichen Ablauf bestimmen. Alle vier dieser "Gesten" sind prozeßhaft
konzipiert, entwickeln sich also aus kleinsten rhythmischen Zellen frei
weiter vom Kleinen ins Große. Statische, also nicht gestische
Abschnitte wie zuletzt in ANDERE RÄUME und wieder in der Orchesterpartitur von WEITER würden hingegen als verräumlichte Zeit vom Großen ins Kleine divisorisch strikt geplant und tauchen in nerv II nicht auf.
Der Violinpart entstand für Irvine Arditti und spart somit nicht mit
virtuosen Anforderungen, die zumeist durch die Überlagerung
verschiedener Schichten in ihren jeweiligen Tempi entstehen. nerv II ist Irvine Arditti gewidmet.
Robert HP Platz
nerv II (1995/96)
für Violine, Klavier und Bläser
Besetzung: Soli: Violine, Klavier; Ensemble: 0. 1. 1. Tsax. 1. / 2. 1. 2. 1. / - / 0. 0. 0. 0. 0.
Uraufführung: Amsterdam, 6.9.1996
Dauer: 13'
Verlag: Ricordi München – Sy. 3271 Part.* / Sti.
www.rhpp.de
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